Göttliche Vorsehung
Predigt 25.11.2018 (Letzter Sonntag nach Pfingsten)
"Es wird alsdann eine so große Bedrängnis sein, wie sie vom Anfang
der Welt bis jetzt nicht war, auch fernerhin nicht mehr sein wird.
Ja, würden diese Tage nicht abgekürzt, so würde kein Mensch gerettet
werden. Doch um der Auserwählten willen werden jene Tage abgekürzt
werden" (Mt24,15-35). Viele Menschen schleudern Vorwürfe gegen Gott,
er würde nichts gegen die Not in der Welt tun. Das Geschöpf maßt
sich an, besser als sein Schöpfer beurteilen zu können, was gut und
was schlecht ist, was richtig und was falsch ist, was sein muss und
was sein darf. Daraus leitet das Geschöpf dann auch das Recht und
sogar die Pflicht ab, den göttlichen Geboten nicht zu gehorchen. Man
interessiert sich nicht dafür, dass Christus die Notwendigkeit der
Gottesliebe und Nächstenliebe so nachdrücklich betont hat. Man
interessiert sich nicht dafür, dass Christus die Kirche gegründet
und die Sakramente eingesetzt hat. Man sagt einfach: "Gott tut nicht
das, was ich will, also tue ich nicht das, was Gott will." Christus
hat allerdings immer wieder auf die göttliche Vorsehung, auf die
göttliche Weltregierung hingewiesen. "Kauft man nicht zwei Sperlinge
für fünf Pfennige? Und dennoch fällt ohne euren Vater keiner zur
Erde. Bei euch aber sind sogar alle Haare eures Kopfes gezählt.
Fürchtet euch also nicht: Ihr seid Gott mehr wert als die vielen
Sperlinge" (Mt 10-29-32). Zugegeben: Unser menschlicher Verstand
kann nicht jedes Ereignis sofort vollkommen richtig beurteilen. Auch
ein Christ kann Bedrängnis erleben, die er schlichtweg nicht
versteht und die für ihn eine harte Prüfung ist, ob er Gott treu
bleiben und ob er sich dem Willen Gottes unterwerfen will. Die
Bedrängnis dieser Erdenzeit darf nicht leichtfertig verharmlost
werden, aber eben: "Um der Auserwählten willen werden jene Tage
abgekürzt werden." Statt in Angst, in Leiden, in Verzweiflung
unterzugehen, können und müssen wir Gott die Treue halten. Wir
dürfen uns durch nichts überwältigen lassen. Nichts darf unser
Vertrauen in Gott mindern oder gar zerstören. Ganz im Gegenteil: Wir
müssen immer mehr und tiefer aus dem Bewusstsein leben, dass Gott
die Welt regiert, also dass es die göttliche Vorsehung gibt. Manche
Menschen beziehen den Begriff der Auserwählung bzw. der Vorsehung zu
stark oder sogar ausschließlich auf dieses irdische Leben. Der
Gedanke an das Jenseits gerät in den Hintergrund oder verschwindet
sogar völlig. Ein "Auserwählter" ist dann eben derjenige, der hier
auf Erden gewisse Annehmlichkeiten hat wie z.B. Geld, Erfolg,
Freundschaften, Genüsse aller Art, und diese ganzen irdischen
Annehmlichkeiten sind dann die "Auserwählung", sind dann die
"Vorsehung Gottes für die Auserwählten". Oder anders: Wer z.B. für
seine Treue zu Christus gerichtlich verurteilt wird, der ist von
Gott verworfen, der ist ein Feind Gottes, und falls man an ein
Jenseits glaubt, dann erklärt man kurzerhand alle, die wegen ihrer
Treue zu Christus verfolgt bzw. verurteilt wurden, eben zu
Verdammten der Hölle. Hingegen die christliche Lehre von
Auserwählung und Vorsehung ist durchaus anders. Es geht letztlich
darum, gerettet zu werden vor der ewigen Verdammnis der Hölle. Es
geht letztlich darum, gerettet zu werden zur ewigen Seligkeit des
Himmels. Also die göttliche Vorsehung bezieht sich auf ein Leben in
der Freundschaft mit Gott, auf ein Leben in der heiligmachenden
Gnade. Die göttliche Vorsehung bewirkt, dass die Auserwählten ihr
eigentliches Ziel, das ewige Heil, erreichen. Und deshalb gilt: "Um
der Auserwählten willen werden jene Tage abgekürzt werden."
Eng verbunden mit der Lehre von der göttlichen Vorsehung ist Lehre
von der göttlichen Vorherbestimmung. Es gibt Auserwählte und
Verworfene. Gott weiß, dass einige seiner Geschöpfe den freien
Willen dazu missbrauchen, um sich die ewigen Strafen der Hölle zu
verdienen. Aber ob jemand auserwählt ist, kann er nur durch
besondere Offenbarung Gottes wissen. Die Kirche hat als unfehlbare
Lehre verkündet: "Wer mit unbedingter und unfehlbarer Sicherheit
behauptet, er werde sicher jenes große Geschenk der Beharrung bis
ans Ende besitzen, ohne daß er es aus einer besonderen Offenbarung
weiß, der sei ausgeschlossen" (NR 753 / D826). Obwohl Gott um die
Bestrafung der Verworfenen weiß, werden die Verworfenen trotzdem nur
wegen ihrer eigenen Schuld bestraft: Beim Endgericht wird Christus
sagen: "Hinweg von mir, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, das dem
Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Ich war hungrig, und ihr habt
mir nicht zu essen gegeben, ... ich war fremd, und ihr habt mich
nicht beherbergt" (Mt 25,41-43).
Zugegeben: Ein böser Mensch kann einem guten Menschen wirklich sehr
große Schmerzen bereiten. Der böse Mensch kann sich sogar noch
ausgiebig daran freuen, wenn er dem guten Menschen Böses tut, und
der gute Mensch kann wirklich sehr tiefe Trauer und Schmerzen über
diese Bosheit empfinden. Der Böse kann herzlich und lauthals darüber
lachen, wenn er sieht, wie seine Bosheit dem Guten die Tränen in die
Augen treibt. Das ist aber nicht nur eine sehr fragwürdige, sondern
auch eine vorübergehende Freude: "Wer einem von diesen Kleinen, die
an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, daß ihm ein
Mühlstein um den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres
versenkt würde. Wehe der Welt um der Ärgernisse willen! Es müssen
zwar Ärgernisse kommen; doch wehe dem Menschen, durch den das
Ärgernis kommt" (Mt 18,6f). Der Böse kann sich niemals darauf
berufen, dass er nun einmal böse sei und dass er dementsprechend gar
nicht verpflichtet sei, ja noch nicht einmal dazu fähig sei, Gutes
zu tun. Er kann sich auch nicht damit herausreden, dass er durch
seine bösen Taten anderen die Möglichkeit gegeben habe, sich in
Prüfungen zu bewähren und insofern Verdienste für den Himmel zu
erwerben. Nein: Wer Böses getan hat, muss dafür Buße tun. Wer einem
anderen geschadet hat, muss dafür nach Kräften Genugtuung leisten.
Insbesondere wer einen anderen zur Sünde verführt hat, muss ganz
besonders dafür beten, dass der Verführte die Sünde bereut und
Vergebung erlangt. Deshalb beten wir im Kreuzweg: "Erbarme Dich auch
aller, die durch mich zur Sünde gekommen sind; laß sie würdige Buße
tun und selig werden."
Was also immer auch geschehen mag: Gott sorgt für uns. Paulus
schreibt: "Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alles zum Besten
gereicht" (Röm 8,28). Wenn wir zu den Auserwählten gehören, dann
werden wir gerettet werden. Wenn wir zu den Verworfenen gehören,
dann deshalb, weil wir unseren freien Willen missbraucht haben.
Betrachten wir die Welt also immer als das, was sie ist: als eine
Zeit der Entscheidung für den Himmel oder für die Hölle. Was immer
geschehen mag: Erfüllen wir treu den Willen Gottes im festen
Vertrauen auf die Allmacht Gottes, im festen Vertrauen auf die
Vorsehung Gottes. Amen.