05.08.2019 - Ich bin klüger als die ganze Welt
Predigt 11.08.2019 (9. Sonntag nach Pfingsten)
"Kein Mensch hat je gelehrt, solange die Welt steht, wie ich, Dr.
Martin Luther. Ich frage nichts nach allen Sprüchen der Schrift. Ich
brauche für meine Lehre keine Gründe. Statt aller Gründe gilt mein
Wille. Ich, Dr. Martin Luther, will's so haben. Ich bin klüger als
die ganze Welt" (Witt. dt. V,107; F. Laun, Katholische Antworten -
Controvers-Katechismus 212). Manche Anhänger Luthers werfen den
Luther-Kritikern vor, sie würden solche originalen Luther-Zitate in
ihrer wirklichen Aussage verdrehen. Aber die ganzen
Möchtegern-Verteidiger Luthers scheitern alle genau wie Luther
selbst am inneren Widerspruch, dass sie von einer "Heiligen Schrift"
reden, ohne die kirchliche Autorität anzuerkennen. Denn es ist jedem
sofort unausweichlich klar: Wenn kein Papsttum, dann auch keine
"Heilige Schrift". Die Kirche gab es bereits lange, bevor das erste
Wort des Neuen Testaments überhaupt geschrieben wurde. Und erst das
kirchliche Lehramt hat später festgelegt, welche Texte zur Heiligen
Schrift gehören. Unübersehbar ist der innere Widerspruch des
Luthertums also schon beim bekannten Grundsatz: "Sola scriptura":
"Allein durch die Schrift und nicht durch die kirchliche
Überlieferung wird die Heilsbotschaft vermittelt": Nochmals: Wenn
kein Papsttum, dann auch keine "Heilige Schrift". Der alleinige
Grund für das Luthertum bleibt einzig nur: "Ich brauche für meine
Lehre keine Gründe. Statt aller Gründe gilt mein Wille. Ich will's
so haben. Ich bin klüger als die ganze Welt."
Zugegeben: Auch von den Lutheranern interessiert sich keinesfalls
jeder für Luther, zumal mittlerweile auch Immanuel Kant bei den
Protestanten hoch im Kurs steht. Die Selbstherrlichkeit, die
autonome Moral des Kantischen "kategorischen Imperativs"; statt Gott
nun der Mensch als höchster Gesetzgeber: Das hat die Welt gerne. Und
heute bleiben bei den Protestanten auch bekennende atheistische
Pfarrer im Amt. Zudem: Was heißt im Protestantismus eigentlich
"Amt"? Doch die ganzen protestantischen Verwirrungen und
Widersprüche um die Themen Amt und Sakrament können jetzt nicht im
einzelnen dargelegt und untersucht werden. Hier nur soviel: Das
heillose Durcheinander des Protestantismus ist nur ein Mosaikstein
einer Ideologie, eines Fehlers, eines Hirngespinstes, eines Wahns:
"Ich brauche für meine Lehre keine Gründe. Statt aller Gründe gilt
mein Wille. Ich will's so haben. Ich bin klüger als die ganze Welt."
Laut Luther ist das Papsttum in Rom "vom Teufel gestiftet". Selbst
bei Missachtung der Frage nach der Autorität der Heiligen Schrift
ohne Autorität des Papstes, der erst sagt, welche Texte "Heilige
Schrift" sind, bleibt die Frage: Mit welchem Recht darf man Luther
diesen Spruch glauben? Mit welchem Recht darf man Luther überhaupt
irgendetwas glauben? Sicher ist: Luthers ganzer
"sola-scriptura"-Ansatz ist in sich widersprüchlich. In der Bibel
steht nicht, welche Bücher zur Bibel gehören. Und selbst wenn es
darin stünde, müsste man dann ja trotzdem schon vorher wissen, dass
es die Bibel ist, in der es steht. Hingegen: Dass Petrus der Fels
der Kirche Christi ist, dass Petrus in der Urkirche die
Führungsrolle übernommen hat, dass Petrus und die Apostel selbst
Nachfolger in der Kirchenleitung eingesetzt haben - das alles steht
tatsächlich in der Bibel, und das ist beständig in Leben und in
Lehre der Kirche. Aber dass das die jahrhundertelange Kirchenordnung
nur Lug und Trug war, dass erst im 16. Jahrhundert ein Ex-Mönch die
wahre christliche Lehre bringt - mit welchem Recht darf man das
glauben?
"Ich brauche für meine Lehre keine Gründe. Statt aller Gründe gilt
mein Wille." Genau diese Einstellung ist eine furchtbare Seuche.
Diese Seuche wütet nahezu überall. Sie ist offenkundig die Grundlage
für solche abartigen Phantastereien wie den Atheismus, den
Materialismus, also Ideologien, in denen die Existenz Gottes
geleugnet wird, so dass angeblich nur blinder Zufall, nur ewige
Sinnlosigkeit herrscht. Es gibt keine Verantwortung vor Gott, und
das einzige, was diesem Leben einen vermeintlichen Sinn gibt, ist
der irdische Genuss, das Fressen und Saufen, bis dass der Tod es
beendet. Aber auch unter solchen, die sich "Katholiken" nennen, gibt
es diese Ideologie: "Statt aller Gründe gilt mein Wille. Ich will's
so haben."
Diese Auflehnung gegen die Kirche Christi muss nicht immer sofort
radikal erfolgen. Möglicherweise ist sie auch nicht jedem sofort in
ihrem ganzen Ausmaß voll bewusst. Man hält sich noch immer für einen
"guten Katholiken", obwohl man eigentlich nicht mehr die Bitte des
Vaterunsers meint: "Dein Wille geschehe", sondern stattdessen: "Ich
will's so haben." Es mag zur Zeit Luthers Missstände in der Kirche
gegeben haben. Nun: Dass sogar die Apostel schwache Menschen waren,
ist bereits in der Bibel zu lesen. Dass Christus den Aposteln die
Vollmacht zur Sündenvergebung gegeben hat, ist bereits in der Bibel
zu lesen. Dass wir uns immer darum bemühen müssen, im Stand der
Gnade zu bleiben, ist bereits in der Bibel zu lesen. Und v.a.:
Missstände behebt man nicht durch Wahn und nicht durch Lügen,
sondern mit Festhalten an der katholischen Glaubens- und
Sittenlehre.
Wir sind schwache Menschen. Die biblischen Aussagen, dass Petrus der
Fels ist und dass die Kirche die Säule und Grundfeste der Wahrheit
ist, das alles bezieht sich auf das Wesen der Kirche, auf den
mystischen Leib Christi. Wenn das kirchliche Lehramt eine Lehre als
unfehlbar verkündet, dann hat sie den Beistand des Heiligen Geistes.
Und dann ist die Lehre tatsächlich unfehlbar und somit notwendig
auch unwandelbar. Niemals kann ein Dogma, niemals kann der Sinn
eines Dogmas geändert werden. Das ist der Wille des Schöpfers - so
hat Gott es bestimmt. Gott hat das Weltall erschaffen, Gott hat dem
ersten Menschen im Paradies eine Entscheidung gelassen, Gott hat
nach dem Sündenfall die Erlösung gebracht. Gott hat die katholische
Kirche als einziges Mittel des Heiles gestiftet und bestimmt.
Viele haben diesen von Gott bestimmten Weg ausgeschlagen mit der
Begründung: "Ich brauche für meine Lehre keine Gründe. Statt aller
Gründe gilt mein Wille. Ich will's so haben." Nein. Unser Grundsatz
muss immer sein: Gottes Wille geschehe. Auch manche sog.
"Katholiken" interessieren sich kaum für die katholische Lehre.
Stattdessen klammern sie sich an angebliche Privatoffenbarungen oder
erklären kurzerhand ihre eigenen Phantasieprodukte zur Offenbarung
Gottes. Manche sog. Katholiken stehen in Einheit mit Betrügern, die
sich als Päpste ausgeben. Nochmals: Nein. Lernen und befolgen wir
immer die unfehlbare, unwandelbare Lehre der Kirche. Lesen wir den
Katechismus. Lernen wir den Katechismus. Informieren wir uns
gründlich und zuverlässig, welche Glaubenssätze die Kirche verkündet
hat, welche Irrlehren die Kirche verurteilt hat. Seien wir
vorsichtig bereits bei Gefahren wie fragwürdigen Privatoffenbarungen
und erst recht Selbstüberschätzung. Bewahren und ggf. verteidigen
wir die katholische Glaubens- und Sittenlehre. Setzen wir uns ein
für die katholische Ordnung, damit wir dereinst teilhaben an der
ewigen Freude des Himmels. Amen.