[[PRHL, 28.02.1998] Diese Enzyklika erschien als einzige zunächst in
deutscher Sprache; maßgeblich beteiligt an der Entstehung waren die
Kardinäle Eugenio Pacelli, damals Apostolischer Nuntius in
Deutschland (1939 zum Papst gewählt, Pius XII.) und Michael
Faulhaber, der damalige Erzbischof von München-Freising. Von uns
verwendete Textvorlage: P. Wilhelm Jussen (Hg.), Gerechtigkeit
schafft Frieden. Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters Papst Pius
XII., Hamburg 1946, 352 - 384.
Pius XI. wußte um den engen Zusammenhang zwischen gerechter
Staatsführung und wahrer Religion. "Habt acht, Ehrwürdige Brüder,
daß vor allem der Gottesglaube, die erste und unersetzbare Grundlage
jeder Religion, in deutschen Landen rein und unverfälscht erhalten
bleibe!" Adolf Hitler richtete seinen Kampf gezielt gegen die
katholische Kirche, sowohl durch Massenmord an Priestern und
Mitgliedern katholisch geprägter Widerstandsbewegungen (bekannt ist
v.a. die "Weiße Rose", der die Geschwister Hans Scholl und Sophie
Scholl angehörten) als auch durch propagandistische Beeinflussung
des religiösen Bewußtseins (z.B. durch "Hitlergebete" wie:
"Herrgott, steh dem Führer bei, daß Dein Weg der Seine sei, daß Sein
Weg der Deine sei, Herrgott, steh dem Führer bei"). Die "Blut und
Boden"-Literatur (auch "Blubo"-Literatur genannt) und die
heidnischen Mythen, wie sie z.B. von Richard Wagner im "Ring der
Nibelungen" verbreitet wurden, vermittelten ein neues Weltbild.
DIE AUSSAGEN DES PAPSTES SIND ANGESICHTS DER HEUTIGEN SITUATION IN
DEUTSCHLAND, ANGESICHTS DER VERHÖHNUNG UND KNEBELUNG DER
RÖMISCH-KATHOLISCHEN CHRISTEN SOWOHL DURCH DEN STAAT ALS AUCH DURCH
DIE KONZILSSEKTE ("röm.-kath. Kirche e.V.") VON HÖCHSTER AKTUALITÄT:
"HIER IST DER PUNKT ERREICHT, WO ES UM LETZTES UND HÖCHSTES, UM
RETTUNG ODER UNTERGANG GEHT, UND WO INFOLGEDESSEN DEM GLÄUBIGEN DER
WEG HELDENMÜTIGEN STARKMUTES DER EINZIGE WEG DES HEILES IST."]
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Enzyklika "Mit brennender Sorge" ["Cum Cura ardenti"]
Weltrundschreiben Papst Pius XI. [1922 - 1939]
Über die Lage der Kirche in Deutschland
Passionssonntag, den 14. März 1937
Ehrwürdige Brüder!
Gruß und Apostolischen Segen!
Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit
geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis
der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und
Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius
einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche
Gottes gebracht hat.
Diese Unsere Sorge ist nicht vermindert worden durch das, was die
Uns an Unserem Krankenlager besuchenden Vertreter des hochwürdigsten
Episkopates wahrheits- und pflichtgemäß berichtet haben. Neben viel
Tröstlichem und Erhebendem aus dem Bekennerkampf ihrer Gläubigen
haben sie bei aller Liebe zu Volk und Vaterland und bei allem
Bestreben nach abgewogenem Urteil auch unendlich viel Herbes und
Schlimmes nicht übergehen können. Nachdem Wir ihre Darlegungen
vernommen, durften Wir in innigem Dank gegen Gott mit dem Apostel
der Liebe sprechen: "Eine größere Freude habe ich nicht, als wenn
ich höre: meine Kinder wandeln in der Wahrheit" (3. Jo. 4.). Der
unserem verantwortungsvollen apostolischen Amt ziemende Freimut und
der Wille, Euch und der gesamten christlichen Welt die Wirklichkeit
in ihrer ganzen Schwere vor Augen zu stellen, fordern von Uns aber
auch, daß Wir hinzufügen: eine größere Sorge, ein herberes
Hirtenleid haben Wir nicht, als wenn Wir hören: viele verlassen den
Weg der Wahrheit (vgl. 2. Petr. 2. 2.).
Als Wir, Ehrwürdige Brüder, im Sommer 1933 die Uns von der
Reichsregierung in Anknüpfung an einen jahrealten früheren Entwurf
angetragenen Konkordatsverhandlungen aufnehmen und zu Euer aller
Befriedigung mit einer feierlichen Vereinbarung abschließen ließen,
leitete Uns die pflichtgemäße Sorge um die Freiheit der kirchlichen
Heilsmission in Deutschland und um das Heil der ihr anvertrauten
Seelen – zugleich aber auch der aufrichtige Wunsch, der friedlichen
Weiterentwicklung und Wohlfahrt des deutschen Volkes einen ganz
wesentlichen Dienst zu leisten.
Trotz mancher Bedenken haben Wir daher Uns damals den Entschluß
abgerungen, Unsere Zustimmung nicht zu versagen. Wir wollten unseren
treuen Söhnen und Töchtern in Deutschland im Rahmen des
Menschenmöglichen die Spannungen und Leiden ersparen, die
andernfalls unter den damaligen Verhältnissen mit Gewißheit zu
erwarten gewesen wären. Wir wollten allen durch die Tat beweisen,
daß Wir, einzig Christus suchend und das was Christi ist, niemanden
die Friedenshand der Mutterkirche verweigern, der sie nicht selbst
zurückstößt. Wenn der von Uns in lauterer Absicht in die deutsche
Erde gesenkte Friedensbaum nicht die Früchte gezeitigt hat, die Wir
im Interesse Eures Volkes ersehnten, dann wird niemand in der weiten
Welt, der Augen hat, zu sehen, und Ohren, zu hören, heute noch sagen
können, die, Schuld liege auf Seiten der Kirche und ihres
Oberhauptes.
Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die
Verantwortlichkeiten. Er enthüllt Machenschaften, die von Anfang an
kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf. In die Furchen,
in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu säen bemüht waren,
streuten andere – wie der Feind (inimicus homo) in der Heiligen
Schrift (Mt. 13, 25) – die Unkrautkeime des Mißtrauens, des
Unfriedens, des Hasses, der Verunglimpfung, der heimlichen und
offenen, aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln
arbeitenden grundsätzlichen Feindschaft gegen Christus und Seine
Kirche. Ihnen und nur ihnen, sowie ihren stillen und lauten
Schildhaltern fällt die Verantwortung dafür zu, daß statt des
Regenbogens des Friedens am Horizont Deutschlands die Wetterwolke
zersetzender Religionskämpfe sichtbar ist.
Wir sind, Ehrwürdige Brüder, nicht müde geworden, den
verantwortlichen Lenkern der Geschicke Eures Landes die Folgen
darzustellen, die aus dem Gewährenlassen oder gar aus der
Begünstigung solcher Strömungen sich zwangsweise ergeben müßten. Wir
haben alles getan, um die Heiligkeit des feierlich gegebenen Wortes,
die Unverbrüchlichkeit der freiwillig eingegangenen Verpflichtungen
zu verteidigen gegen Theorien und Praktiken, die – falls amtlich
gebilligt – alles Vertrauen töten und jedes auch in Zukunft gegebene
Wort innerlich entwerten müßten. Wenn einmal die Zeit gekommen sein
wird, diese Unsere Bemühungen vor den Augen der Welt offen zu legen,
werden alle Gutgesinnten wissen, wo sie die Friedenswahrer und
Friedensstörer zu suchen haben.
Jeder, dessen Geist sich noch einen Rest von Wahrheitsempfinden,
dessen Herz sich noch einen Schatten von Gerechtigkeitsgefühl
bewahrt hat, wird dann zugeben müssen, daß in diesen schweren und
ereignisvollen Jahren der Konkordatszeit jedes Unserer Worte und
jede Unserer Handlungen unter dem Gesetz der Vereinbarungstreue
standen. Er wird aber auch mit Befremden und innerster Ablehnung
feststellen müssen, wie von der anderen Seite die Vertragsumdeutung,
die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder öffentliche
Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht
wurden.
Die von Uns trotz allem bezeigte Mäßigung war nicht eingegeben von
Erwägungen irdischer Nützlichkeit oder gar unziemlicher Schwäche,
sondern lediglich von dem Willen, mit dem Unkraut nicht etwa
wertvolles Wachstum auszureißen; von der Absicht, nicht eher
öffentlich zu urteilen, als bis die Geister für die Unentrinnbarkeit
dieses Urteils reif geworden wären; von der Entschlossenheit, die
Vertragstreue anderer nicht eher endgültig zu verneinen, als bis die
eiserne Sprache der Wirklichkeit die Hüllen gesprengt hätte, in die
eine planmäßige Tarnung den Angriff gegen die Kirche zu hüllen
verstanden hatte und versteht. Auch heute noch, wo der offene Kampf
gegen die konkordatgeschützte Bekenntnisschule und wo die
vernichtete Abstimmungsfreiheit der katholischen
Erziehungsberechtigten auf einem besonders wesentlichen Lebensgebiet
der Kirche den erschütternden Ernst der Lage und die beispiellose
Gewissensnot gläubiger Christen kennzeichnen, rät Uns die Vatersorge
um das Heil der Seelen, die etwa noch vorhandenen, wenn auch
geringen Aussichten auf Rückkehr zur Vertragstreue, und zu
verantwortbarer Verständigung nicht unberücksichtigt zu lassen. Den
Bitten des hochwürdigsten Episkopates folgend werden Wir auch
weiterhin nicht müde werden, bei den Lenkern Eures Volkes Sachwalter
des verletzten Rechtes zu sein und Uns – unbekümmert um den Erfolg
oder Mißerfolg des Tages – lediglich Unserem Gewissen und Unserer
Hirtenmission gehorchend einer Geisteshaltung zu widersetzen, die
verbrieftes Recht durch offene oder verhüllte Gewalt zu erdrosseln
sucht.
Der Zweck des gegenwärtigen Schreibens aber, Ehrwürdige Brüder, ist
ein anderer. Wie Ihr Uns an Unserem Krankenlager liebevoll Besuch
abgestattet habt, so wenden Wir Uns an Euch und durch Euch an die
katholischen Gläubigen Deutschlands, die – wie alle leidenden und
bedrängten Kinder – dem Herzen des gemeinsamen Vaters besonders nahe
stehen. In dieser Stunde, wo ihr Glaube im Feuer der Trübsal und der
versteckten und offenen Verfolgung als echtes Gold erprobt wird, wo
sie von tausend Formen organisierter religiöser Unfreiheit umgeben
sind, wo der Mangel an wahrheitsgetreuer Unterrichtung und normaler
Verteidigungsmöglichkeit schwer auf ihnen lastet, haben sie ein
doppeltes Recht auf ein Wort der Wahrheit und der seelischen
Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das inhaltsschwere
Heilandswort gerichtet war: "Ich habe für dich gebetet, daß dein
Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine Brüder (Lc.
22,32).
Habt acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der Gottesglaube, die
erste und unersetzbare Grundlage jeder Religion, in deutschen Landen
rein und unverfälscht erhalten bleibe! Gottgläubig ist nicht, wer
das Wort rednerisch gebraucht, sondern nur, wer mit diesem hehren
Wort den wahren und würdigen Gottesbegriff verbindet.
Wer in pantheistischer Verschwommenheit Gott mit dem WeltalI gleich
setzt, Gott in der Welt verweltlicht und die Welt in Gott
vergöttlicht, gehört nicht zu den Gottgläubigen. Wer nach angeblich
altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung das düstere unpersönliche
Schicksal an die Stelle des persönlichen Gottes rückt, leugnet
Gottes Weisheit und Vorsehung, die "kraftvoll und gütig von einem
Ende der Welt zum anderen waltet" (Weish. 8 ,1.) und alles zum guten
Ende leitet. Ein solcher kann nicht beanspruchen, zu den
Gottgläubigen gerechnet zu werden.
Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Staatsform, die
Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher
Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen
wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer
irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch
der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult verherrlicht, der
verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung
der Dinge. Ein solcher ist weit vom wahren Gottesglauben und einer
solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.
Habet acht, Ehrwürdige Brüder, auf den in Rede und Schrift
zunehmenden Mißbrauch, den dreimal heiligen Gottesnamen anzuwenden
als sinnleere Etikette für irgendein mehr oder minder willkürliches
Gebilde menschlichen Suchens und Sehnens. Wirkt unter Euren
Gläubigen dahin, daß sie solcher Verirrung mit der wachsamen
Ablehnung begegnen, die sie verdient. Unser Gott ist der
persönliche, übermenschliche, allmächtige, und endlich vollkommene
Gott, einer in der Dreiheit der Personen, dreipersönlich in der
Einheit des göttlichen Wesens, der Schöpfer alles Geschaffenen, der
Herr und König und letzte Vollender der Weltgeschichte, Der keine
Götter neben Sich duldet noch dulden kann.
Dieser Gott hat in souveräner Fassung Seine Gebote gegeben. Sie
gelten unabhängig von Zeit und Raum, von Land und Rasse. So wie
Gottes Sonne über allem leuchtet, was Menschenantlitz trägt, so
kennt auch Sein Gesetz keine Vorrechte und Ausnahmen. Regierende und
Regierte, Gekrönte und Ungekrönte, Hohe und Niedrige, Reiche und
Arme, stehen gleichermaßen unter Seinem Wort. Aus der Totalität
Seiner Schöpferrechte fließt seinsgemäß die Totalität Seines
Gehorsamsanspruchs an die Einzelnen und an alle Arten von
Gemeinschaften. Dieser Gehorsamsanspruch erfaßt alle Lebensbereiche,
in denen sittliche Fragen die Auseinandersetzung mit dem
Gottesgesetz fordern und damit die Einordnung wandelbarer
Menschensatzung in das Gefüge der unwandelbaren Gottessatzung.
Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem
nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen; können
den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den
König und Gesetzgeber aller Völker, vor Dessen Größe die Nationen
klein sind wie Tropfen am Wassereimer (Is. 40, 15.), in die Grenze
eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse
einkerkern zu wollen.
Die Bischöfe der Kirche Christi, aufgestellt "für das, was sich auf
Gott bezieht" (Hebr. 5, 1.), müssen darüber wachen, daß solche
verderblichen Irrtümer, denen noch verderblichere Praktiken auf dem
Fuße zu folgen pflegen, innerhalb der Gläubigen nicht Boden fassen.
Ihre heilige Amtspflicht ist es, soviel an ihnen liegt, alles zu
tun, damit die Gebote Gottes als verpflichtende Grundlage des
sittlich geordneten privaten und öffentlichen Lebens beachtet und
befolgt werden; daß die Majestätsrechte Gottes, der Name und das
Wort Gottes nicht verunehrt werden (Tit. 2,5.); daß die
Gotteslästerungen – in Wort und Schrift und Bild, zeitweise
zahlreich wie der Sand am Meere – zum Schweigen gebracht werden; daß
dem trotzenden Prometheusgeist der Gottesverneiner, Gottesverächter
und Gotteshasser gegenüber der Sühnegeist der Gläubigen nie erlahme,
der wie Rauchwerk Stunde um Stunde zum Allerhöchsten emporsteigt und
Seine strafende Hand aufhält.
Wir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern und all den
Gläubigen, die in der Verteidigung der Majestätsrechte Gottes gegen
ein angrifflüsternes, von einflußreicher Seite leider vielfach
begünstigtes Neuheidentum, ihre Christenpflicht erfüllt haben und
erfüllen. Dieser Dank ist doppelt innig und mit anerkennender
Bewunderung für diejenigen verknüpft, die in Ausübung ihrer Pflicht
gewürdigt wurden, um Gottes willen irdische Opfer und irdisches Leid
auf sich nehmen zu dürfen.
Kein Gottesglaube wird sich auf die Dauer rein und unverfälscht
erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an Christus.
"Niemand kennt den Sohn als der Vater, und niemand kennt den Vater
als der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will" (Mt. 11,27.).
"Das ist das ewige Leben, daß sie Dich erkennen, den allein wahren
Gott, und den Du gesandt hast, Jesus Christus" (Jo. 17; 3.). Es darf
also niemand sagen: ich bin gottgläubig, das ist mir Religion genug.
Des Heilands Wort hat für Ausflüchte dieser Art keinen Platz. "Wer
den Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer den Sohn bekennt,
hat auch den Vater (1. Jo. 2,23.).
In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, ist die Fülle
der göttlichen Offenbarung erschienen. "Auf vielerlei Art und in
verschiedenen Formen hat Gott einst zu den Vätern durch die
Propheten gesprochen. In der Fülle der Zeiten hat Er zu uns durch
den Sohn geredet" (Hebr. 1,1f.). Die heiligen Bücher des Alten
Bundes sind ganz Gottes Wort, ein organischer Teil Seiner
Offenbarung. Der stufenweisen Entfaltung der Offenbarung
entsprechend liegt auf ihnen noch der Dämmer der Vorbereitungszeit
auf den vollen Sonnentag der Erlösung. Wie es bei Geschichts- und
Gesetzbüchern nicht anders sein kann, sind sie in manchen
Einzelheiten ein Spiegelbild menschlicher Unvollkommenheit, Schwäche
und Sünde. Neben unendlich vielem Hohen und Edlen erzählen sie auch
von der Veräußerlichung und Verweltlichung, die in dem die
Offenbarung und die Verheißungen Gottes tragenden alttestamentlichen
Bundesvolk immer wieder hervorbrachen. Für jedes nicht durch
Vorurteil und Leidenschaft geblendete Auge leuchtet jedoch aus dem
menschlichen Versagen, von dem die Biblische Geschichte berichtet,
um so strahlender das Gotteslicht der über alle Fehde und Sünde
letztlich triumphierenden Heilsführung hervor. Gerade auf solchem
oft düsteren Hintergrund wächst die Heilspädagogik des Ewigen in
Perspektiven hinein, die wegweisend, warnend, erschütternd, erhebend
und beglückend zugleich sind. Nur Blindheit und Hochmut können ihre
Augen vor den heilserzieherischen Schätzen verschließen, die das
Alte Testament birgt. Wer die Biblische Geschichte und die
Lehrweisheit des Alten Bundes aus Kirche und Schule verbannt sehen
will, lästert das Wort Gottes, lästert den Heilsplan des
Allmächtigen, macht enges und beschränktes Menschendenken zum
Richter über göttliche Geschichtsplanung. Er verneint den Glauben an
den wirklichen, im Fleische erschienenen Christus, Der die
menschliche Natur aus dem Volke annahm, das Ihn ans Kreuz schlagen
sollte. Er steht verständnislos vor dem Weltdrama des Gottessohnes,
Welcher der Meintat Seiner Kreuziger die hohepriesterliche Gottestat
des Erlösertodes entgegensetzte und damit den Alten Bund in dem
Neuen Bunde seine Erfüllung, sein Ende und seine Überhöhung finden
ließ.
Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhepunkt der Offenbarung
ist endgültig, ist verpflichtend für immer. Diese Offenbarung kennt
keine Nachträge durch Menschenhand, kennt erst recht keinen Ersatz
und keine Ablösung durch die willkürlichen "Offenbarungen", die
gewisse Wortführer der Gegenwart aus dem sogenannten Mythus von Blut
und Rasse herleiten wollen. Seitdem Christus der Gesalbte das Werk
der Erlösung vollbracht, die Herrschaft der Sünde gebrochen und uns
die Gnade verdient hat, Kinder Gottes zu werden – seitdem ist kein
anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie
selig werden können, als der Name Jesu (Apg. 4, 12.). Kein Mensch –
möge auch alles Wissen, alles Können, alle äußerliche Macht der Erde
in ihm verkörpert sein – kann einen anderen Grund legen als den, der
in Christus bereits gelegt ist (1. Cor. 3, 11.). Wer in
sakrilegischer Verkennung der zwischen Gott und Geschöpf, zwischen
dem Gottmenschen und den Menschenkindern klaffenden
Wesensunterschiede irgend einen Sterblichen und wäre er der Größte
aller Zeiten, neben Christus zu stellen wagt, oder gar über Ihn und
gegen Ihn, der muß sich sagen lassen, daß er ein Wahnprophet ist,
auf den das Schriftwort erschütternde Anwendung findet: "Der im
Himmel wohnt, lachet ihrer" (Ps. 2, 4.).
Der Christusglaube wird sich nicht rein und unverfälscht erhalten,
wenn er nicht gestützt und umhegt wird vom Glauben an die Kirche,
"die Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1. Tim. 3, 15.). Christus
Selbst, Gott hochgelobt in Ewigkeit, hat diese Säule des Glaubens
aufgerichtet. Sein Gebot, die Kirche zu hören (Mt. 18, 17.) ,aus den
Worte und Geboten der Kirche Seine eigenen Worte und Gebote
herauszuhören (Lc. 10, 16.), gilt für die Menschen aller Zeiten und
Zonen. Die von dem Erlöser gestiftete Kirche ist eine – für alle
Völker und Nationen. Unter ihrem Kuppelbau, der wie Gottes Firmament
die ganze Erde überwölbt, ist Platz und Heimat für alle Völker und
Sprachen, ist Raum für die Entfaltung aller von Gott dem Schöpfer
und Erlöser in die Einzelnen und in die Volksgemeinschaften hinein
gelegten besonderen Eigenschaften, Vorzüge, Aufgaben und Berufungen.
Das Mutterherz der Kirche ist weit und groß genug, um in der
gottgemäßen Entfaltung solcher Eigenarten und Eigengaben mehr den
Reichtum der Mannigfaltigkeit zu sehen als die Gefahr von
Absonderungen. Sie freut sich des geistigen Hochstandes des
Einzelnen und der Völker. Sie sieht in ihren echten Leistungen mit
Mutterfreude und Mutterstolz Erziehungsfrüchte und Fortschritte, die
sie segnet und fördert, wo immer sie es im Gewissen kann. Aber sie
weiß auch, daß dieser Freiheit Grenzen gezogen sind durch die
Majestät des Gottesgebotes, das diese Kirche in allem Wesenhaften
als untrennbare Einheit gewollt und gegründet hat. Wer an diese
Einheit und Untrennbarkeit rührt, nimmt der Braut Christi eines der
Diademe, mit denen Gott Selbst sie gekrönt hat. Er unterwirft ihren
auf ewigen Fundamenten ruhenden Gottesbau der Überprüfung und
Umgestaltung durch Baumeister, denen der Vater im Himmel keine
Bauvollmacht erteilt hat.
Die göttliche Sendung der Kirche, die unter Menschen wirkt und durch
Menschen wirken muß, mag schmerzlich verdunkelt werden durch das
Menschlich-Allzumenschliche, das zu Zeiten immer und immer wieder
als Unkraut unter dem Weizen des Gottesreiches durchwuchert. Wer das
Heilandswort über die Ärgernisse und die Ärgernisgeber kennt, weiß,
wie die Kirche und wie jeder Einzelne über das zu urteilen hat, was
Sünde war und Sünde ist. Wer über diesen verurteilenswerten
Abweichungen zwischen Glauben und Leben, zwischen Wort und Tat,
zwischen äußerer Haltung und innerer Gesinnung bei Einzelnen – und
wären es ihrer auch viele – die Unsumme von echtem Tugendstreben,
von Opfersinn, von Bruderliebe, von heldenhaftem Heiligkeitsdrang
vergißt oder gar wissentlich verschweigt, der enthüllt eine
bedauernswerte Blindheit und Ungerechtigkeit. Wenn dann vollends
erkennbar wird, daß er den harten Maßstab, den er an die gehaßte
Kirche anlegt, in demselben Augenblick vergißt, wo es sich um
Gemeinschaften anderer Art handelt, die ihm aus Gefühl oder
Interesse nahestehen, dann offenbart er sich in seinem angeblich
verletzten Reinlichkeitsgefühl als verwandt mit denen, die nach des
Heilands schneidendem Wort über den Splitter im Auge des Bruders den
Balken im eigenen Auge übersehen. So wenig rein aber auch die
Absicht derer ist, die aus der Beschäftigung mit dem Menschlichen in
der Kirche einen Beruf, vielfach sogar ein niedriges Geschäft
machen, und obgleich die in Gott ruhende Gewalt des kirchlichen
Amtsträgers nicht abhängig ist von seiner menschlichen und
sittlichen Höhe, so ist doch keine Zeitepoche, kein Einzelner, keine
Gemeinschaft frei von der Pflicht ehrlicher Gewissenserforschung,
unerbittlicher Läuterung, durchgreifender Erneuerung in Gesinnung
und Tat. In Unserer Enzyklika über das Priestertum, in Unserem
Sendschreiben über die Katholische Aktion haben wir mit
beschwörender Eindringlichkeit auf die heilige Pflicht aller
Angehörigen der Kirche und allen voran der Angehörigen des Priester-
und Ordensstandes und des Laienapostolates hingewiesen, Glaube und
Lebensführung in die von Gottes Gesetz geforderte, von der Kirche
mit nimmermüdem Nachdruck verlangte Übereinstimmung zu bringen. Und
auch heute wiederholen Wir mit tiefem Ernst: es genügt nicht, zur
Kirche Gottes zu zählen. Man muß auch lebendiges Glied dieser Kirche
sein – im Geiste und in der Wahrheit. Und das sind nur die, die in
der Gnade des Herrn stehen und unausgesetzt in Seiner Gegenwart
wandeln – in Unschuld oder in aufrichtiger und tätiger Buße. Wenn
der Völkerapostel, das "Gefäß der Auserwählung" seinen Leib unter
der Zuchtrute der Abtötung hielt, um nicht, nachdem er anderen
gepredigt, selbst verworfen zu werden (1. Cor. 9, 27.), kann es dann
für die übrigen, in deren Händen die Wahrung und Mehrung des Reiches
Gottes gelegt ist, einen anderen Weg geben als den der innigsten
Verbindung von Apostolat und Selbstheiligung? Nur so wird der
Menschheit von heute und in erster Linie den Widersachern der Kirche
gezeigt, daß das Salz der Erde, daß der Sauerteig des Christentums
nicht schal geworden, sondern fähig und bereit ist, die in Zweifel
und Irrtum, in Gleichgültigkeit und geistiger Ratlosigkeit, in
Glaubensmüdigkeit und Gottesferne befangenen Menschen der Gegenwart
die seelische Erneuerung und Verjüngung zu bringen, deren sie – ob
eingestanden oder geleugnet – dringender bedürfen als je zuvor. Eine
sich in allen ihren Gliedern auf sich selbst besinnende, jede
Veräußerlichung und Verweltlichung abstreifende, mit den Geboten
Gottes und der Kirche ernst machende, in Gottesliebe und tätiger
Nächstenliebe sich bewährende Christenheit wird der im tiefsten
Grunde kranken, nach Halt und Wegweisung suchenden Welt Vorbild und
Führerin sein können und müssen, wenn nicht unsagbares Unglück, wenn
nicht ein alle Vorstellung hinter sich lassender Niedergang
hereinbrechen soll.
Jede wahre und dauernde Reform ging letzten Endes vom Heiligtum aus;
von Menschen, die von der Liebe zu Gott und dem Nächsten entflammt
und getrieben waren. Aus ihrer großmütigen Gemeinschaft heraus, auf
jeden Ruf Gottes zu hören und ihn zunächst in sich selbst zu
verwirklichen, sind sie in Demut und mit der Selbstsicherheit von
Berufenen zu Leuchten und Erneuerern ihrer Zeit herangewachsen. Wo
der Reformeifer nicht aus dem reinen Schoß persönlicher Lauterkeit
geboren wurde, sondern Ausdruck und Ausbruch leidenschaftlicher
Anwandlungen war, hat er verwirrt, statt zu klären, niedergerissen,
statt aufzubauen, ist er nicht selten der Ausgangspunkt für Irrwege
gewesen, die verhängnisvoller waren als die Schäden, die man zu
bessern beabsichtigte oder vorgab. Gewiß – Gottes Geist weht, wo Er
will (Jo. 3, 8.). Er kann Sich aus Steinen Wegbereiter Seiner
Absicht erwecken (Mt. 3, 9; Lc. 3,.8.). Er wählt die Werkzeuge
Seines Willens nach eigenen Plänen und nicht nach denen der
Menschen. Er, Der die Kirche gegründet und sie im Pfingststurm ins
Dasein gerufen hat, Er sprengt nicht das Grundgefüge der von Ihm
Selbst gewollten Heilsstiftung. Wer vom Geiste Gottes getrieben ist,
hat von selbst die gebührende innere und äußere Haltung gegenüber
der Kirche, der Edelfrucht am Baume des Kreuzes, dem Pfingstgeschenk
des Gottesgeistes an die führungsbedürftige Welt.
In Euren Gegenden, Ehrwürdige Brüder, werden in immer stärkerem Chor
Stimmen laut, die zum Austritt aus der Kirche aufrufen. Unter den
Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stellung
den Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und
die damit verbundene Treulosigkeit gegen Christus den König eine
besonders überzeugende und verdienstvolle Form des Treubekenntnisses
zu dem gegenwärtigen Staate darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren
Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen, Inaussichtstellung
wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile
wird die Glaubenstreue der Katholiken und insbesondere gewisser
Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso
rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches
Mitgefühl und tiefstes Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue
zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen. Aber –
hier ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um
Rettung oder Untergang geht, und wo infolgedessen dem Gläubigen der
Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn
der Versucher oder Unterdrücker an ihn herantritt mit dem
Judasansinnen des Kirchenaustrittes, dann kann er ihm nur – auch um
den Preis schwerer irdischer Opfer – das Heilandswort
entgegenhalten: "Weiche von mir, Satan, denn es steht geschrieben:
den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen!" (Mt.
4, 10; Lc. 4, 8.). Zu der Kirche aber wird er sprechen: Du meine
Mutter von den Tagen meiner Kindheit an, mein Trost im Leben, meine
Fürbitterin im Sterben – mir soll die Zunge am Gaumen kleben, wenn
ich – irdischen Lockungen oder Drohungen folgend – an meinem
Taufgelübde zum Verräter würde. Solchen aber, die vermeinen, sie
könnten mit äußerlichem Kirchenaustritt das innere Treuverhältnis
zur Kirche verbinden, möge des Heilands Wort ernste Warnung sein:
"Wer Mich vor den Menschen verleugnet, den werde Ich auch vor Meinem
Vater verleugnen, Der im Himmel ist" (Lc. 12, 9.).
Der Kirchenglaube wird nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er
nicht gestützt wird vom Glauben an den Primat des Bischofs von Rom.
In dem gleichen Augenblick, wo Petrus allen Aposteln und Jüngern
voran, den Glauben an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes
bekannte, war die seinen Glauben und sein Bekenntnis belohnende
Antwort Christi das Wort von dem Bau Seiner Kirche, der einen
Kirche, und zwar auf Petrus dem Felsen (Mt. 16, 18.). Christus, die
Kirche und der Primat stehen also miteinander in einem geheiligten
Zusammenhang. Echte und legale Autorität ist überall ein Band der
Einheit, eine Quelle der Kraft, eine Gewähr gegen Zerfall und
Zersplitterung, eine Bürgschaft der Zukunft; im höchsten und
hehrsten Sinne da, wo, wie einzig bei der Kirche, solcher Autorität
die Gnadenführung des Heiligen Geistes, Sein unüberwindlicher
Beistand verheißen ist. Wenn Leute, die nicht einmal im Glauben an
Christus einig sind, euch das Wunsch- und Lockbild einer deutschen
Nationalkirche vorhalten, so wisset: sie ist nichts als eine
Verneinung der einen Kirche Christi, ein offenkundiger Abfall von
dem an die ganze Welt gerichteten Missionsbefehl, dem nur eine
Weltkirche genügen und nachleben kann. Der geschichtliche Weg
anderer Nationalkirchen, ihre geistige Erstarrung, ihre Umklammerung
oder Knechtung durch irdische Gewalten zeigen die hoffnungslose
Unfruchtbarkeit, der jeder vom lebendigen Weinstock der Kirche sich
abtrennende Rebzweig mit unentrinnbarer Sicherheit anheimfällt. Wer
solchen Fehlentwicklungen daher gleich von den ersten Anfängen an
sein wachsames und unerbittliches Nein entgegensetzt, dient nicht
nur der Reinheit seines Christenglaubens, sondern auch der
Gesundheit und Lebenskraft seines Volkes.
Ein besonders wachsames Auge, Ehrwürdige Brüder, werdet Ihr haben
müssen, wenn religiöse Grundbegriffe ihres Wesensinhaltes beraubt
und in einem profanen Sinne umgedeutet werden.
Offenbarung im christlichen Sinne ist das Wort Gottes an die
Menschen. Dieses gleiche Wort zu gebrauchen für die
"Einflüsterungen" von Blut und Rasse, für die Ausstrahlungen der
Geschichte eines Volkes ist in jedem Falle verwirrend. Solch falsche
Münze verdient nicht, in den Sprachschatz eines gläubigen Christen
überzugehen.
Glauben ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart
hat und durch die Kirche zu glauben vorstellt: "die feste
Überzeugung vom Unsichtbaren" (Hebr. 11, l.). Das freudige und
stolze Vertrauen auf die Zukunft seines Volkes, das jedem teuer ist,
bedeutet etwas ganz anderes als der Glaube im religiösen Sinne. Das
eine gegen das andere auszuspielen, das eine durch das andere
ersetzen wollen und daraufhin verlangen, von dem überzeugten
Christen als "gläubig" anerkannt zu werden, ist ein leeres Spiel mit
Worten oder bewußte Grenzverwischung oder Schlimmeres.
Unsterblichkeit im christlichen Sinne ist das Fortleben des Menschen
nach seinem irdischen Tode als persönliches Einzelwesen – zum ewigen
Lohn oder zur ewigen Strafe. Wer mit dem Worte Unsterblichkeit
nichts anderes bezeichnen will als das kollektive Mitfortleben im
Weiterbestand seines Volkes für eine unbestimmt lange Zukunft im
Diesseits, der verkehrt und verfälscht eine der Grundwahrheiten des
christlichen Glaubens, rührt an die Fundamente jeder religiösen,
eine sittliche Weltordnung fordernden Weltanschauung. Wenn er nicht
Christ sein will, sollte er wenigstens darauf verzichten, den
Wortschatz seines Unglaubens aus christlichem Begriffsgut zu
bereichern.
Erbsünde ist die erbliche, wenn auch nicht persönliche Schuld der
Nachkommen Adams, die in ihm gesündigt haben (Röm. 5, 12.), Verlust
der Gnade und damit des ewigen Lebens, mit dem Hang zum Bösen, den
jeder durch Gnade, Buße, Kampf, sittliches Streben zurückdrängen und
überwinden muß. Das Leiden und Sterben des Gottessohnes hat die Welt
vom Erbfluch der Sünde und des Todes erlöst. Der Glaube an diese
Wahrheiten, denen heute in Eurem Vaterlande der billige Spott der
Christusgegner gilt, gehört zum unveräußerlichen Bestand der
christlichen Religion.
Das Kreuz Christi, mag auch schon sein bloßer Name vielen eine
Torheit und ein Ärgernis geworden sein (1. Cor. 1, 23.), es bleibt
den Christen das geheiligte Zeichen der Erlösung, die Standarte
sittlicher Größe und Kraft. In seinem Schatten leben wir. In seinem
Kusse sterben wir. Auf unserem Grabe soll es stehen als Künder
unseres Glaubens, als Zeuge unserer dem ewigen Licht zugewandten
Hoffnung.
Demut im Geiste des Evangeliums und Gebet um Gottes Gnadenhilfe sind
mit Selbstachtung, Selbstvertrauen und heldischem Sinn wohl
vereinbar. Die Kirche Christi, die zu allen Zeiten bis in die
jüngste Gegenwart hinein mehr Bekenner und freiwillige Blutzeugen
zählt, als irgendwelche andere Gesinnungsgemeinschaft, hat nicht
nötig, von solcher Seite Belehrungen über Heldengesinnung und
Heldenleistung entgegenzunehmen. In seinem seichten Gerede über
christliche Demut als Selbstentwürdigung und unheldische Haltung
spottet der widerliche Hochmut dieser Neuerer seiner selbst.
Gnade im uneigentlichen Sinne mag alles genannt werden, was dem
Geschöpf vom Schöpfer zukommt. Gnade im eigentlichen und
christlichen Sinne des Wortes umfaßt jedoch die übernatürlichen
Erweise göttlicher Liebe, die Huld und das Wirken Gottes, durch das
Er den Menschen zu jener innersten Lebensgemeinschaft mit Sich
erhebt, die das Neue Testament Gotteskindschaft nennt. "Seht, wie
große Liebe uns der Vater erwiesen hat: wir heißen Kinder Gottes,
und wir sind es auch (1. Jo. 3, 1.). Die Ablehnung dieser
übernatürlichen Gnadenerhebung aus angeblich deutscher Wesensart
heraus ist Irrtum, eine offene Kampfansage an eine Kernwahrheit des
Christentums. Die Gleichsetzung der übernatürlichen Gnade mit den
Gaben der Natur ist Eingriff in den durch die Religion geschaffenen
und geweihten Wortschatz. Die Hirten und Hüter des Volkes Gottes
werden gut daran tun, diesem Raub am Heiligtum und dieser Arbeit an
der Verwirrung der Geister mit Wachsamkeit entgegenzutreten.
Auf dem wahren und rein bewahrten Gottesglauben ruht die
Sittlichkeit der Menschheit. Alle Versuche, die Sittenlehre und
sittliche Ordnung vom Felsenboden des Glaubens loszulösen und auf
dem wehenden Flugsand menschlicher Normen aufzubauen, führen früher
oder später Einzelne und Gemeinschaften in moralischen Niedergang.
Der Tor, der in seinem Herzen spricht, es gibt keinen Gott, wird
Wege der sittlichen Verdorbenheit wandeln (Ps. 13, l.). Die Zahl
solcher Toren, die heute sich unterfangen, Sittlichkeit und Religion
zu trennen, ist Legion geworden. Sie sehen nicht oder wollen nicht
sehen, daß mit der Verbannung des bekenntnismäßigen, d. h. klar und
bestimmt gefaßten Christentums aus Unterricht und Erziehung, aus der
Mitgestaltung des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens Wege
der geistigen Verarmung und des Niederganges beschritten werden.
Keine Zwangsgewalt des Staates, keine rein irdischen, wenn auch in
sich hohen und edlen Ideale, werden auf die Dauer imstande sein, die
aus dem Gottes- und dem Christusglauben kommenden letzten und
entscheidenden Antriebe zu ersetzen. Nimmt man dem zu höchsten
Opfern, zur Hingabe des kleinen Ich an das Gemeinwohl Aufgerufenen
den sittlichen Rückhalt aus dem Ewigen und Göttlichen, aus dem
aufrichtigen und tröstenden Glauben an den Vergelter alles Guten und
Ahnder alles Bösen – dann wird für Ungezählte das Endergebnis nicht
sein die Bejahung der Pflicht, sondern die Flucht vor ihr. Die
gewissenhafte Beobachtung der 10 Gebote Gottes und der
Kirchengebote, welch letztere nichts anderes sind als
Ausführungsbestimmungen zu den Normen des Evangeliums, ist für jeden
Einzelmenschen eine unvergleichliche Schule planvoller Selbstzucht,
sittlicher Ertüchtigung und Charakterformung. Eine Schule, die viel
verlangt, aber nicht zuviel. Der gütige Gott, Der als Gesetzgeber
spricht: "Du sollst!", gibt in Seiner Gnade auch das Können und
Vollbringen. Sittlichkeitsbildende Kräfte von so starker
Tiefenwirkung ungenützt lassen oder ihnen den Weg in die Bezirke der
Volkserziehung zu versperren, ist unverantwortliche Mitwirkung an
der religiösen Unterernährung der Volksgemeinschaft. Die
Auslieferung der Sittenlehre an eine subjektive, mit den
Zeitströmungen wechselnde Menschenmeinung, statt ihrer Verankerung
im heiligen Willen des ewigen Gottes, in Seinen Geboten, öffnet
zersetzenden Kräften Tür und Tor. Die hiermit eingeleitete Preisgabe
der ewigen Richtlinien einer objektiven Sittenlehre zur Schulung der
Gewissen, zur Veredelung aller Lebensbereiche und Lebensordnungen
ist eine Sünde an der Zukunft des Volkes, deren bittere Früchte die
kommenden Geschlechter werden kosten müssen.
Im verhängnisvollen Zug der Zeit liegt es, wie die Sittenlehre, so
auch die Grundlagen des Rechtslebens und der Rechtspflege vom wahren
Gottesglauben und von den geoffenbarten Gottesgeboten mehr und mehr
loszulösen. Wir denken hier besonders an das sogenannte Naturrecht,
das vom Finger des Schöpfers selbst in die Tafeln des
Menschenherzens geschrieben wurde (Röm. 2, 14.) und von der
gesunden, durch Sünde und Leidenschaft nicht verblendeten Vernunft
von diesen Tafeln abgelesen werden kann. An den Geboten dieses
Naturrechts kann jedes positive Recht, von welchem Gesetzgeber es
auch kommen mag, auf seinen sittlichen Gehalt, damit auf seine
sittliche Befehlsmacht und Gewissensverpflichtung nachgeprüft
werden. Menschliche Gesetze, die mit dem Naturrecht in unlösbarem
Widerspruch stehen, kranken an einem Geburtsfehler, den kein
Zwangsmittel, keine äußere Machtentfaltung sanieren kann. Mit diesem
Maßstab muß auch der Grundsatz: "Recht ist, was dem Volke nützt"
gemessen werden, wenn man unterstellt, daß sittlich Unerlaubtes nie
dem wahren Wohle des Volkes zu dienen vermag. Indes hat schon das
alte Heidentum erkannt, daß der Satz, um völlig richtig zu sein,
eigentlich umgekehrt werden und lauten muß: "Nie ist etwas nützlich,
wenn es nicht gleichzeitig sittlich gut ist. Und nicht weil
nützlich, ist es sittlich gut, sondern weil sittlich gut, ist es
auch nützlich" (Cicero de officiis 3, 30.). Von dieser Sittenregel
losgelöst würde jener Grundsatz im zwischenstaatlichen Leben den
ewigen Kriegszustand zwischen den verschiedenen Nationen bedeuten.
Im innerstaatlichen Leben verkennt er, Nützlichkeits- und
Rechtserwägungen miteinander verquickend, die grundlegende Tatsache,
daß der Mensch als Persönlichkeit gottgegebene Rechte besitzt, die
jedem auf ihre Leugnung, Aufhebung oder Brachlegung abzielenden
Eingriff von seiten der Gemeinschaft entzogen bleiben müssen. Die
Mißachtung dieser Wahrheit übersieht, daß das wahre Gemeinwohl
letztlich bestimmt und erkannt wird aus der Natur des Menschen mit
ihrem harmonischen Ausgleich zwischen persönlichem Recht und
sozialer Bindung, sowie aus dem durch die gleiche Menschennatur
bestimmten Zwecke der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist vom
Schöpfer gewollt als Mittel zur vollen Entfaltung der individuellen
und sozialen Anlagen, die der Einzelmensch gebend und nehmend, zu
seinem und aller anderen Wohl auszuwerten hat. Auch jene
umfassenderen und höheren Werte, die nicht vom Einzelnen, sondern
nur von der Gemeinschaft verwirklicht werden können, sind vom
Schöpfer letzten Endes des Menschen halber gewollt zu seiner
natürlichen und übernatürlichen Entfaltung und Vollendung. Ein
Abweichen von dieser Ordnung rüttelt an den Tragpfeilern, auf denen
die Gemeinschaft ruht, und gefährdet damit Ruhe, Sicherheit, ja
Bestand der Gemeinschaft selbst.
Der gläubige Mensch hat ein unverlierbares Recht, seinen Glauben zu
bekennen und in den ihm gemäßen Formen zu betätigen. Gesetze, die
das Bekenntnis und die Betätigung dieses Glaubens unterdrücken oder
erschweren, stehen im Widerspruch zum Naturgesetz.
Gewissenhafte, ihrer erzieherischen Pflichten bewußte Eltern haben
ein erstes und ursprüngliches Recht, die Erziehung der ihnen von
Gott geschenkten Kinder im Geiste des wahren Glaubens und in
Übereinstimmung mit seinen Grundsätzen und Vorschriften zu
bestimmen. Gesetze oder andere Maßnahmen, die diesen naturrechtlich
gegebenen Elternwillen in Schulfragen ausschalten oder durch Drohung
und Zwang unwirksam machen, stehen im Widerspruch zum Naturrecht und
sind im tiefsten und letzten Kern unsittlich.
Die Kirche, die berufene Hüterin und Auslegerin des göttlichen
Naturrechtes, kann daher garnicht anders, als die im Zustand
notorischer Unfreiheit erfolgten Schuleinschreibungen der jüngsten
Vergangenheit als ein Zwangsprodukt zu erklären, dem jeglicher
Rechtscharakter abgeht.
Als Stellvertreter Dessen, Der im Evangelium zu einem Jungmann
gesprochen hat: "Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote"
(Mt. 19, 17.), richten Wir ein besonders väterliches Wort an die
Jugend. Von tausend Zungen wird heute vor Euren Ohren ein Evangelium
verkündet, das nicht vom Vater im Himmel geoffenbart ist. Tausend
Federn schreiben im Dienst eines Scheinchristentums, das nicht das
Christentum Christi ist. Druckerpresse und Radio überschütten Euch
Tag für Tag mit Erzeugnissen glaubens- und kirchenfeindlichen
Inhalts und greifen rücksichtslos und ehrfurchtslos an, was Euch
hehr und heilig sein muß.
Wir wissen, daß viele, viele von Euch um der Treue zum Glauben und
zur Kirche, um der Zugehörigkeit zu kirchlichen im Konkordat
geschützten Vereinigungen willen düstere Zeiten der Verkennung, der
Beargwöhnung, der Schmähung, der Verdächtigung Eurer vaterländischen
Treue, vielfacher Schädigung im beruflichen und gesellschaftlichen
Leben ertragen mußten und müssen. Es ist Uns nicht unbekannt, wie
mancher ungenannte Soldat Christi in Euren Reihen steht, der
trauernden Herzens, aber erhobenen Hauptes sein Schicksal trägt und
Trost findet allein in dem Gedanken, für den Namen Jesu Schmach zu
leiden (Apg. 5, 41.).
Heute, wo neue Gefahren und neue Spannungen drohen, sagen Wir dieser
Jugend: "Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkünden wollte,
als jenes, das ihr empfangen habt" auf den Knien einer frommen
Mutter, von den Lippen eines gläubigen Vaters, aus dem Unterricht
eines seinem Gotte und seiner Kirche treuen Erziehers – "der sei
ausgeschlossen!" (Gal. l, 9.). Wenn der Staat eine Staatsjugend
gründet, die Pflichtorganisation für alle sein soll, dann ist es –
unbeschadet der Rechte der kirchlichen Vereinigungen –
selbstverständlicher und unveräußerlicher Rechtsanspruch der
Jungmannen selbst und ihrer für sie vor Gott verantwortlichen
Eltern, zu fordern, daß diese Pflichtorganisation von all den
Betätigungen christentums- und kirchenfeindlichen Geistes gesäubert
werde, die bis in die jüngste Vergangenheit, ja bis in die Gegenwart
hinein die gläubigen Eltern in unlösbare Gewissenskonflikte zwingen,
da sie dem Staat nicht geben können, was im Namen des Staates
verlangt wird, ohne Gott zu rauben, was Gottes ist.
Niemand denkt daran, der Jugend Deutschlands Steine in den Weg zu
legen, der sie zur Verwirklichung wahrer Volksgemeinschaft führen
soll, zur Pflege edler Freiheitsliebe, zur unverbrüchlichen Treue
gegen das Vaterland. Wogegen Wir uns wenden und Uns wenden müssen,
ist der gewollte und planmäßig geschürte Gegensatz, den man zwischen
diesen Erziehungszielen und den religiösen aufweist. Und darum rufen
Wir dieser Jugend zu: singt Eure Freiheitslieder; aber vergeßt über
ihnen nicht die Freiheit der Kinder Gottes! Laßt den Adel dieser
unersetzbaren Freiheit nicht hinschwinden in den Sklavenketten der
Sünde und Sinnenlust! Wer das Lied der Treue zum irdischen Vaterland
singt, darf nicht in Untreue an seinem Gott, an seiner Kirche, an
seinem ewigen Vaterland zum Überläufer und Verräter werden. Man
redet zu euch viel von heldischer Größe – in bewußtem und unwahren
Gegensatz zur Demut und Geduld des Evangeliums. Warum verschweigt
man euch, daß es auch ein Heldentum im sittlichen Kampf gibt? Daß
die Bewahrung der Reinheit des Tauftages eine heldische Tat
darstellt, die im religiösen und im natürlichen Bereich der
verdienten Wertung sicher sein sollte? Man redet Euch viel vor von
menschlichen Schwächen in der Geschichte der Kirche. Warum
verschweigt man Euch die Großtaten, die ihren Weg durch die
Jahrhunderte begleiteten; die Heiligen, die sie hervorbrachte; den
Segen, der aus der lebendigen Verbindung zwischen dieser Kirche und
Eurem Volk für die abendländische Kulturwelt floß?
Man redet zu Euch viel von sportlichen Übungen. Mit Maß und Ziel
betrieben, bedeutet die körperliche Ertüchtigung eine Wohltat für
die Jugend. Ihrem Betätigungsraum wird jetzt aber vielfach ein
Umfang gegeben, der weder der harmonischen Gesamtausbildung von
Körper und Geist, noch der gebührenden Pflege des Familienlebens,
noch dem Gebot der Sonntagsheiligung Rechnung trägt. Mit einer an
Nichtachtung grenzenden Gleichgültigkeit werden dem Tag des Herrn so
seine Weihe und Sammlung genommen, wie sie bester deutscher
Überlieferung entsprechen. Wir erwarten vertrauensvoll von der
gläubigen katholischen Jugend, daß sie in der schwierigen Umwelt der
staatlichen Pflichtorganisationen ihr Recht auf christliche
Sonntagsheiligung nachdrücklich geltend macht, daß sie über der
Ertüchtigung des Leibes ihre unsterbliche Seele nicht vergißt, daß
sie sich nicht vom Bösen überwinden läßt, vielmehr durch das Gute
das Böse zu überwinden trachtet (Röm. 12, 21.); daß ihr höchster und
heiligster Ehrgeiz der bleibt, in der Rennbahn des ewigem Lebens den
Siegeskranz zu erringen (1. Cor. 9, 24f.).
Ein besonderes Wort der Anerkennung, der Aufmunterung, der Mahnung
richten Wir an die Priester Deutschlands, denen in Unterordnung
unter ihre Bischöfe in schwerer Zeit und unter harten Umständen die
Aufgabe obliegt, der Herde Christi die rechten Wege zu weisen in
Lehre und Beispiel, in täglicher Hingabe, in apostolischer Geduld.
Werdet nicht müde, geliebte Söhne und Mitteilhaber an den heiligen
Geheimnissen, dem ewigen Hohenpriester Jesus Christus in Seiner
Samariterliebe und Samaritersorge zu folgen. Bewährt Euch Tag für
Tag in makellosem Wandel vor Gott, in unablässiger Selbstzucht und
Selbstvervollkommnung, in erbarmender Liebe zu allen Euch
Anvertrauten, insbesondere zu den Gefährdeten, Schwachen und
Schwankenden; seid die Führer der Treuen, die Stütze der
Strauchelnden, die Lehrer der Zweifelnden, die Tröster der
Trauernden, die uneigennützigen Helfer und Berater aller! Die
Prüfungen und Leiden, durch die Euer Volk in der Nachkriegszeit
hindurchgeschritten ist, sind nicht spurlos an seiner Seele
vorübergegangen. Sie haben Spannungen und Bitterkeit hinterlassen,
die erst langsam ausheilen können, deren echte Überwindung nur
möglich sein wird im Geiste uneigennütziger und tätiger Liebe. Diese
Liebe, die das unentbehrliche Rüstzeug des Apostels ist, zumal in
der aufgewühlten und haßverzehrten Welt, wünschen und erflehen wir
Euch vom Herrn in überreichem Maße. Diese apostolische Liebe wird
Euch viel unverdiente Bitterkeiten, wenn nicht vergessen, so doch
verzeihen lassen, die auf Euren Priester- und Seelsorgspfaden heute
zahlreicher sind als je zuvor. Diese verstehende und erbarmende
Liebe zu den Irrenden, ja selbst zu den Schmähenden bedeutet
allerdings nicht und kann nicht bedeuten irgend welchen Verzicht auf
die Verkündigung, die Geltendmachung, die mutige Verteidigung der
Wahrheit und ihrer freimütigen Anwendung auf die Euch umgebende
Wirklichkeit. Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des
Priesters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit und zwar
der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums,
gleich in welcher Form, in welcher Verkleidung, in welcher Schminke
er einherschreiten mag. Der Verzicht hierauf wäre nicht nur ein
Verrat an Gott und Eurem heiligen Beruf, er wäre auch eine Sünde an
der wahren Wohlfahrt Eures Volkes und Vaterlandes. All denen, die
ihren Bischöfen die bei der Weihe versprochene Treue gehalten; all
denen, die wegen Ausübung ihrer Hirtenpflicht Leid und Verfolgung
tragen mußten und müssen, folgt – für manche bis in die Kerkerzelle
und das Konzentrationslager hinein – der Dank und die Anerkennung
des Vaters der Christenheit.
Den katholischen Ordensleuten beiderlei Geschlechts gilt ebenfalls
Unser väterlicher Dank, verbunden mit inniger Anteilnahme an dem
Geschick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von ihnen
aus segensreicher und liebgewordener Berufsarbeit herausgerissen
hat. Wenn einzelne gefehlt und sich ihres Berufes unwürdig erwiesen
haben, so, mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen
nicht die Verdienste der gewaltigen Überzahl, die in
Uneigennützigkeit und freiwilliger Armut bemüht waren, ihrem Gott
und ihrem Volk mit Hingabe zu dienen. Der Eifer, die Treue, das
Tugendstreben, die tätige Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft der in
Seelsorge, Krankendienst und Schule wirkenden Orden sind und bleiben
ein ruhmwürdiger Beitrag zur privaten und öffentlichen Wohlfahrt,
denen zweifellos eine spätere, ruhigere Zeit mehr Gerechtigkeit wird
widerfahren lassen als die aufgewühlte Gegenwart. Wir haben das
Vertrauen zu den Leitern der Ordensgenossenschaften, daß sie die
Schwierigkeiten und Prüfungen zum Anlaß nehmen, um durch
verdoppelten Eifer, vertieftes Gebetsleben, heiligen Berufsernst und
echt klösterliche Zucht von dem Allmächtigen neuen Segen und neue
Fruchtbarkeit auf ihre schwere Arbeit herabzurufen.
Vor Unserem Auge steht die unübersehbare große Schar treuer Söhne
und Töchter, denen das Leid der Kirche in Deutschland und ihr
eigenes Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache
Gottes, nichts von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der
Christenheit, nichts von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe und Priester,
nichts von ihrer freudigen Bereitschaft, auch in Zukunft – komme,
was da wolle – dem treu zu bleiben, was sie geglaubt und von ihren
Voreltern als heiliges Erbe erworben haben. Ihnen allen senden wir
aus gerührtem Herzen Unseren Vatergruß.
Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die tapfer und
um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die Treue hielten
und sich nicht bereit fanden die Rechte preis zu geben, die ein
feierliches Abkommen der Kirche ihnen nach Treu und Glauben
gewährleistet hatte.
Ein besonders inniger Gruß ergeht an die katholischen Eltern; ihre
gottgegebenen Erzieherrechte und Erzieherpflichten stehen gerade im
gegenwärtigen Augenblick im Mittelpunkt eines Kampfes, wie er
schicksalsvoller kaum gedacht werden kann. Die Kirche Christi kann
nicht erst anfangen zu trauern und zu klagen, wenn die Altäre
verwüstet werden, wenn sakrilegische Hände die Gotteshäuser in Rauch
und Flammen aufgehen lassen. Wenn man versucht, den Tabernakel der
durch die Taufe geweihten Kinderseele durch eine christusfeindliche
Erziehung zu entweihen; wenn man aus diesen lebendigen Tempeln
Gottes die ewige Lampe des Christusglaubens herausgerissen und an
ihrer Statt das Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt hat, der mit
dem Glauben des Kreuzes nichts mehr zu tun hat – dann ist die
geistige Tempelschändung nahe, dann wird es für jeden bekennenden
Christen Pflicht, seine Verantwortung von der der Gegenseite klar zu
scheiden, sein Gewissen von jeder schuldhaften Mitwirkung zu solchem
Verhängnis und Verderbnis freizuhalten. Und je mehr die Gegner sich
bemühen, ihre dunklen Absichten abzuleugnen und zu beschönigen, umso
mehr ist wachsames Mißtrauen am Platze und mißtrauische und durch
bittere Erfahrung aufgerüttelte Wachsamkeit. Die formelle
Aufrechthaltung eines, zudem von Unberufenen kontrollierten und
behinderten Religionsunterrichtes im Rahmen einer Schule, die in
anderen Gesinnungsfächern planmäßig und gehässig derselben Religion
entgegenarbeitet, kann niemals einen Rechtfertigungsgrund abgeben,
um einer solchen religiös zersetzenden Schulart die freiwillige
Billigung eines gläubigen Christen einzutragen. Wir wissen, geliebte
katholische Christen, daß von einer solchen Freiwilligkeit bei Euch
nicht die Rede sein kann. Wir wissen, daß eine freie und geheime
Abstimmung unter Euch gleichbedeutend wäre mit einem überwältigenden
Plebiszit für die Bekenntnisschule. Und deshalb werden wir auch in
Zukunft nicht müde werden, den verantwortlichen Stellen die
Rechtswidrigkeit der bisherigen Zwangsmaßnahmen, die
Pflichtmäßigkeit der Zulassung einer freien Willensbildung freimütig
vorzuhalten. Inzwischen vergeßt eines nicht: von dem gottgewollten
Band der Verantwortung, das Euch mit Euren Kindern verknüpft, kann
keine irdische Gewalt Euch lösen. Niemand von denen, die Euch heute
in Euren Erzieherrechten bedrängen und Euch von Euren
Erzieherpflichten abzulösen vorgeben, wird an Eurer Statt dem ewigen
Richter antworten können, wenn Er an Euch die Frage richtet: Wo sind
die, die ich dir gegeben? – Möge jeder von Euch antworten können:
"Keinen von denen, die Du mir gegeben hast, habe ich verloren" (Jo.
18, 9.).
Ehrwürdige Brüder! Wir sind gewiß, daß die Worte, die Wir in
entscheidungsvoller Stunde an Euch und durch Euch an die Katholiken
des Deutschen Reiches richten, in den Herzen und in den Taten
Unserer treuen Kinder das Echo finden werden, daß der liebenden
Sorge des gemeinsamen Vaters entspricht. Wenn Wir etwas mit
besonderer Inbrunst vom Herrn erflehen, dann ist es dies: daß Unsere
Worte auch das Ohr und das Herz solcher erreichen und zum Nachdenken
stimmen, die bereits begonnen haben, sich von den Lockungen und
Drohungen derer einfangen zu lassen, die gegen Christus und Sein
heiliges Evangelium stehen.
Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage
der Wahrheit und zugleich der Liebe. Weder wollten Wir durch
unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden an der mangelnden
Aufklärung, noch durch unnötige Strenge an der Herzensverhärtung
irgend eines von denen, die Unserer Hirtenverantwortung unterstehen
und denen Unsere Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie
zur Zeit Wege des Irrtums und des Fremdseins wandeln. Mögen manche
von ihnen sich den Gepflogenheiten ihrer neuen Umgebung anpassen,
für das verlassene Vaterhaus und den Vater selbst nur Worte der
Untreue, des Undanks oder gar der Unbill haben, mögen sie vergessen,
was sie hinter sich geworfen haben – der Tag wird kommen, wo das
Grauen der Gottesferne und der seelischen Verwahrlosung über diesen
heute verlorenen Söhnen zusammenschlägt; wo das Heimweh sie
zurücktreiben wird zu dem "Gott, Der ihre Jugend erfreute", und zu
der Kirche, deren Mutterhand sie den Weg zum himmlischen Vater
gelehrt hat. Diese Stunde zu beschleunigen, ist der Gegenstand
Unserer unaufhörlichen Gebete.
So wie andere Zeiten der Kirche wird auch diese der Vorbote neuen
Aufstiegs und innerer Läuterung sein, wenn der Bekennerwille und die
Leidensbereitschaft der Getreuen Christi groß genug sind, um der
physischen Gewalt der Kirchenbedränger die Unbedingtheit eines
innigen Glaubens, die Unverwüstlichkeit einer ewigkeitssicheren
Hoffnung, die bezwingende Allgewalt einer tatstarken Liebe
entgegenzustellen. Die heilige Fasten- und Osterzeit, die
Verinnerlichung durch Buße predigt und des Christen Blick mehr noch
als sonst auf das Kreuz, zugleich aber auch auf die Herrlichkeit des
Auferstandenen richtet, sei für alle und jeden von euch freudig
begrüßter und eifrig genutzter Anlaß, Sinn und Seele mit dem
Helden-, dem Dulder-, dem Siegergeist zu erfüllen, der vom Kreuze
Christi ausstrahlt. Dann – des sind. Wir gewiß – werden die Fehde
der Kirche, die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, daß sie
zu früh gejubelt und zu voreilig nach der Grabschaufel gegriffen
haben. Dann wird der Tag kommen, wo an Stelle verfrühter
Siegeslieder der Christusfeinde aus dem Herzen und von den Lippen
der Christustreuen das Te Deum der Befreiung zum Himmel steigen
darf; ein Te Deum des Dankes an den Allerhöchsten; ein Te Deum der
Freude darüber, daß das deutsche Volk auch in seinen heute irrenden
Gliedern den Weg religiöser Heimkehr beschritten hat, daß es in
leidgeläutertem Glauben sein Knie wieder beugt vor dem König
der Zeit und Ewigkeit Jesus Christus; und daß es sich anschickt, im
Kampf gegen die Verneiner und Vernichter des christlichen
Abendlandes in Harmonie mit allen Gutgesinnten anderer Völker den
Beruf zu erfüllen, den die Pläne des Ewigen ihm zuweisen.
Er, der Herz und Nieren durchforscht (Ps. 7, 10.), ist Unser Zeuge,
daß Wir keinen innigeren Wunsch haben als die Wiederherstellung
eines wahren Friedens zwischen Staat und Kirche in Deutschland. Wenn
aber – ohne unsere Schuld – nicht Friede sein soll, dann wird die
Kirche Gottes ihre Rechte und Freiheiten verteidigen im Namen des
Allmächtigen, Dessen Arm auch heute nicht verkürzt ist. Im Vertrauen
auf Ihn "hören wir nicht auf zu beten und zu rufen" (Col. 1, 9.) für
Euch, die Kinder der Kirche, daß die Tage der Trübsal abgekürzt und
Ihr treu erfunden werdet am Tage der Prüfung, und auch für die
Verfolger und Bedränger: der Vater alles Lichtes und aller Erbarmung
möge ihnen eine Damaskusstunde der Erkenntnis schenken, für sich und
alle die vielen, die mit ihnen geirrt haben und irren.
Mit diesem Flehgebet im Herzen und auf den Lippen erteilen wir als
Unterpfand göttlicher Hilfe, als Beistand in Euren schweren und
verantwortungsvollen Entschließungen, als Stärkung im Kampf, als
Trost im Leid, Euch, den bischöflichen Hirten Eures treuen Volkes,
den Priestern und Ordensleuten, den Laienaposteln der katholischen
Aktion und allen, allen Euren Diözesanen – nicht zuletzt den Kranken
und Gefangenen – in väterlicher Liebe den apostolischen Segen.
Gegeben im. Vatikan, am Passionssonntag, den 14. März 1937.
Pius PP XI.